Zelluläre Biotechnologie
Die Arbeitsgruppe Zelluläre Biotechnologie befasst sich mit der Kultivierung sowie der ex-vivo-Proliferation von Primärzellen wie humanen B- oder T-Zellen, neuartigen nicht-viralen Transfektionstechniken für Säugetierzellen, der Untersuchung von noxischen Effekten von Mikroplastik auf Modellorganismen (bspw. Kompostwurm) und dem Tissue Engineering mit Schwerpunkt auf der Rekonstruktion von Leber und verkapseltem T- und B-Lymphozyten als Beitrag zu einem bioartifiziellen Lymphknoten.
Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt ist die Untersuchung von Mechanismen nicht-viraler genetischer Veränderungen von Standardzelllinien, insbesondere von solchen, die auf dem Gebiet der pharmazeutischen Biotechnologie eingesetzt werden, sowie von Zellen, die als "schwer zu transfizieren" gelten (z. B. Suspensionszellen, differenzierte Zellen und menschliche Primärzellen).
Nicht-viralen Transfektion von Säugerzellen
Die gezielte genetische Modifikation ("Transfektion") von Säugerzellen ist die Voraussetzung für so unterschiedliche Anwendungen wie der Gentherapie oder der Erzeugung einer biotechnologischen Produktionszellinie. Im Gegensatz zur Situation bei Bakterien muss die Fremd-DNA dabei mehrere Barrieren wie die Zellmembran und das Cytosol überwinden, um schließlich in den Zellkern und die Chromosomen zu gelangen. Während Viren diese Aufgaben effizient erledigen und aus diesem Grund in der genetischen Medizin dominieren, werden in der Biotechnologie aus mehreren Gründen die deutlich weniger effizienten nicht-viralen Transfektionsmittel bevorzugt. Gemeinsam mit Medizinern, Biologen und Polymerchemikern werden seit über 10 Jahren am Lehrstuhl neuartige und deutlich effizientere nicht-virale Transfektionsmittel und -prozesse entwickelt. Insbesondere die "Bayreuther Nanosterne", sternförmige Polykationen, zeigen ein hohes Potenzial für die Transfektion von schwer zu transfizierender Zelltypen, wie (humane) Primärzellen und sich nicht teilende Zellen. So konnte die Transfektionseffizienz bei T-Zellen auf 80%, bei gleichzeitigem Erhalt der Vitalität (> 80%), gesteigert werden. Das so entwickelte Protokoll eignet sich dazu T-Zellen für Forschungszwecke im kleinem Maßstab effizient zu transfizieren. Nach Maßstabsvergrößerung wäre die Grundlage für eine Produktion von modifizierten T-Zellen für medizinische Anwendungen (T-Zelltherapien) gelegt. Im Bereich der biopharmazeutischen Produktion wird insbesondere die transiente Transfektion im großen Maßstab verfahrenstechnisch optimiert. So lassen sich in kurzer Zeit Multigrammengen eines gewünschten Zielproteins erzeugen.
Forschungspartner:
- Max Planck Institut für Polymerforschung, Mainz
- Institut für Organische Chemie, Johannes Gutenberg Universität Mainz
Department of Chemistry, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá D.C., Colombia
Förderung:
Proliferation und Differenzierung von primären humanen B- und T-Lymphozyten
Die ex-vivo-Vermehrung von humanen primären B- und T-Lymphozyten ist von erheblichem wissenschaftlichen und medizinischen Interesse. Außerhalb des Körpers vermehrte und gezielt differenzierte T-Lymphozyten können z.B. in der modernen Krebstherapie (Immuntherapie) gegen patienteneigene Tumorepitope aktiviert werden. B-Lymphozyten könnten für Ex-Vivo-Impfungen zur Behandlung von HIV oder Krebs oder auch zur Antikörperproduktion verwendet werden. Beide Zelltypen können als Ersatz für Tierversuche verwendet werden. Wir entwickeln seit mehreren Jahren Strategien für die kontrollierte Expansion und Differenzierung von primären humanen Lymphozyten außerhalb des menschlichen Körpers. Für die T-Zellen haben wir ein System entwickelt, bei dem die frisch aus Blut isolierten Zellen in semipermeablen Polyelektrolyt-Mikrokapseln mit hoher Dichte kultiviert werden können. Das zur Verkapselung verwendete Zellulosesulfat weist biomimetische Eigenschaften auf und erzeugt quasi eine künstliche extrazelluläre Matrix, was wiederum die T-Zell-Proliferation durch Transpräsentation von IL-2 positiv beeinflusst.
Im Gegensatz zu T-Lymphozyten werden primäre B-Lymphozyten bisher nicht in therapeutischen Anwendungen eingesetzt. Sie sind schwer zu kultivieren und müssen aus Spenderproben wie Mandeln oder Milzen isoliert werden. Erste Erfolge mit Maus-B-Lymphozyten zeigen aber Wege zu Isolierung und Vermehrung von primären B-Zellen auf. Im Rahmen des Projektes isolieren wir B-Zellen von menschlichen Spendern und entwickeln Möglichkeiten zu deren Kultivierung.
Die Arbeiten zur Stimulierung des Zellwachstums erfolgen in enger Zusammenarbeit mit anderen Gruppen. Ziel des Projekts ist ein skalierbarer Prozess für die nachhaltige Expansion primärer menschlicher B-Lymphozyten, idealerweise durch die Entwicklung eines Reaktors, der alle unsere Erkenntnisse kombiniert.
Forschungspartner:
- Lehrstuhl für Mikrobiologie, Prof. Schüler, Universität Bayreuth
- HNO Ärzte, Kulmbach, Dr. med. Gollner
Förderung:
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Projekte: DFG FR 830/14-1, DFG FR 830/21-1
Zellen und Gewebe
Für viele Fragestellungen können Zellen und zunehmend auch (Mikro)gewebe über Stammsammlungen bezogen werden. Dies ist allerdings nicht in allen Fällen möglich und auch heute noch müssen Zellen aus Gewebeproben isoliert und in Kultur gebracht werden. Am Lehrstuhl werden derzeit für mehrere Projekte Leberzellen, B- und T-Lymphozyten, aber auch Darmepithelzellen des Kompostwurms und Immunzellen des Wasserflohs isoliert und kultiviert. Auf Basis der so isolierten Zellen werden dann gezielt Mikrogewebe rekonstruiert.
Forschungspartner:
- Lehrstuhl für Tierökologie I, Profs. Laforsch und Feldhaar, Universität Bayreuth
- Tonsillen HNO, Kulmbach
Auswirkungen von Mikroplastik (MP) auf zellulärer Ebene
Dieses Projekt wird im Rahmen des SFB 1357 ("Mikroplastik") bearbeitet. Ziel ist es die Auswirkung einer Aufnahme und/oder Interaktion von MP-Partikeln auf zellulärer Ebene zu untersuchen. Neben immortalisierten Mauszelllinien sollen vor allem Primärzellen aus aquatischen und terrestrischen Modellorganismen isoliert und getestet werden. So sollen folgende zentrale Fragen für die gängigsten im Nahrungsnetz zu erwartenden MP beantwortet werden:
- Welche noxischen Reaktionen (Toxizität, Entzündung, Störungen im Zellzyklus) auf MP lassen sich auf zellulärer Ebene beobachten?
- Welchen Einfluss haben Oberflächeneffekte (chemische und topographische) der MP?
- Nach welchen Mechanismen verlaufen die weitere intrazelluläre Verteilung und Anreicherung?
- Kommt es zu Reaktionen an den MP-Partikeln in einer zellulären Umgebung (z.B. partiellen Abbau oder Fragmentierung) und wie beeinflusst das die Zellen?
- Wie scheiden die Zellen die MP bzw. deren Abbauprodukte wieder aus?
- Gibt es grundlegende Unterschiede in der zellulären Reaktion auf MP-Partikel und anorganische Mikropartikel?
- Studien an Modellorganismen, wie dem Kompostwurm Eisenia fetida, welcher ein häufig genutzter terrestrischer Modellorganismus in ökotoxikologischen Studien und Analysen ist. Ziel der Arbeiten ist die Isolation und Kultivierung primärer Darmzellen von E. fetida, um eine nachfolgende ökotoxikologische Untersuchung (mit Mikroplastik) der isolierten Zellen zu ermöglichen
Forschungspartner:
- Lehrstuhl für Biomaterialien, Prof. Scheibel, Universität Bayreuth
Förderung:
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft
Sonderforschungsbereich SFB 1375 Mikroplastik
Biomimetische Stimulation von Säugerzellen
Zell-Zell-Kontakte sind wichtige Signale in der Zellentwicklung und Differenzierung. Sollen diese gezielt z.B. in der Geweberekonstruktion (Tissue Engineering) eingesetzt werden, greift man entweder auf lösliche Liganden zurück, die aber oft deutlich weniger effizient sind, oder man ist auf rekombinante Feeder-Zellen angewiesen, die aber oft nicht frei zugänglich sind, hohe Ansprüche an die Kultivierungsbedingungen haben und immer eine Kontaminationsgefahr darstellen. Seit einiger Zeit werden am Lehrstuhl biomimetische Alternativen entwickelt. Dabei werden die benötigten membranständigen Proteinliganden auf geeigneten Partikel präsentiert. Es werden dabei in jüngster Zeit vor allem Magnetosomen untersucht. Beide Konstrukte können dazu dienen Proteinliganden in einer biologischen Membranstruktur zu präsentieren.
Forschungspartner:
- Lehrstuhl für Mikrobiologie, Prof. Schüler, Universität Bayreuth
Geweberekonstruktion (Tissue Engeneering)
Ziel des Tissue Engieerings ist es, geschädigte Gewebe und Organe im menschlichen Körper zu ersetzen. Wir sind hier in zwei Bereichen aktiv. Ein Projekt beschäftigt sich mit der Entwicklung eines extrakorporalen Moduls zu Leberunterstützung. Die Leber hat ein hohes Maß zur Regeneration. Viele Lebertransplantationen ließen sich vermeiden, wenn es gelänge das Organ für eine gewisse Zeit zu entlasten. Dazu müsste ein externens Modul die wesentlichen Funktionen der Leber übernehmen. Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Konstruktionslehre und CAD der ingenieurswissenschaftlichen Fakultät entwickeln wir mittels additiver Fertigung / 3D Druck geeignete Module für solche Support-Systeme. In einem zweiten Bereich entwickeln wir mit dem Lehrstuhl MCII der Universität Bayreuth funktionalisierte Geflechte und Vliese auf Polymerbasis, die die Ansiedlung bestimmter Zelltypen in einer 3D-Ansiedlung fördern.
Forschungspartner:
- Lehrstuhl für Macromolekulare Chemie II, Profs. Greiner und Agarwal, Universität Bayreuth
- Campus Additive.Innovationen (CA.I)